Keine Musik, kein Gekreische, kein Gebell und kein Geelch. Beklemmend ruhig sind die Tage nach einem zweiwöchigen Sommerlager. In ihrer Eigenart regen sie darum um so mehr zum Nachdenken an.

Am 23. Juli startete unsere Schar mit 59 Kindern in ein zweiwöchiges Abenteuer im thurgauischen Lanzenneunforn. Es erwartet sie ein luxuriös ausgestatteter Lagerplatz, der grösste Mückenschwarm südlich des Bodensees und eine erschöpfte Büezertruppe, die sich ein weiteres Mal mehr als übertroffen hatte. Alles war angerichtet und so wurde die Schar nach alter Programmtradition befackelt und von Marta, an brennenden Feldern vorbei, durch die östliche Abendsonne geführt.
Da auch dieses Jahr wieder viele neue Namen auf der Lagerliste glänzten, stand der Sonntag im Zeichen des Kennenlernens und Näherkommens. Dem Alter nach mit abnehmender Motivation, auch das eine alte Lagertradition, performten sich die Kinder mit spektakulären Gruppendarbietungen ins Kurzzeitgedächtnis der jeweiligen Zuschauer und setzten am Abend die Hemmschwelle mit einem packenden Karaokewettstreit auf ein angemessen tiefes Niveau. Von Kind, über Hund bis Tschisel waren nun alle im Lagerleben angekommen.
Am Montag wurden die Wanderschuhe ein erstes Mal geschnürt und die Tatsache, dass der Herrgott nicht jedem Leiter die Gabe geschenkt hat, eine perfekt vorbereitete Wanderroute nach Plan abzustottern, beschwerte der Schar einen Marsch auf Umwegen, der dann doch irgendwann an den schönen Hüttwilersee führte. Die Ältesten zog es derweil, im Rahmen ihrer zweitägigen Wanderung, nach Schaffhausen an den Rheinfall und wie es die Nähe zur Staatsgrenze verlangt, wurden sie mit spannenden Facts rund um die Hallauer Regierungsbefugnisse gefüttert. Nach einer erholsamen Nacht am Fusse des Munots marschierten sie anderntags wieder heim und wurden dort von der ganzen Schar mit Schlamm, Massagen und viel Wasser herzlich in Empfang genommen. Der immerwährende Mythos „Leiterpool“, für den die Kerze ewig brennen wird, flammte an diesem sonnigen Nachmittag ein erstes Mal auf und der Ankömmling Mathis Andreas meterte sich in die Herzen seiner Mitleiter.
Vom Laufen aufgewärmt folgte am Mittwoch ein Spielewettkampf mit abwechslungsreichen Herausforderungen, der am Abend mit einem mittelalterlichen Festschmaus der Superlative beschlossen wurde. Der Gewinner/in führte durch die Tafelrunde, welche sich mit feinem Zwenig vom Küchenteam verwöhnt liess. Was folgte, war von den Kindern herbeigefragt und nach dem Eintreffen leidenschaftlich ausgelebt worden: Eine der, wenn nicht erlebt kaum vorstellbaren, legendären Lagerdiscos. Der hässliche Aerosmith-Typ vermochte auch dieses Jahr bereits in der primären Woche die ersten Paarungen aus der Anonymität zu führen.
Doch wer tanzen kann, kann auch krampfen! Der gnadenlose Kapitalismus hielt zu früher Morgenstunde Einzug und es galt für einen jeden Liebesverkaterten möglichst viele Nuggets ins Portemonnaie zu massieren, heiraten, adoptieren und bocciabahnbauen. Pidis Zauberhände beglückten die Leiterschaft und die feinen Hamburger von MC Tschisel die Gaumen der Arbeiterschaft. Schon völlig amerikanisiert mischte sich am Nachmittag der Wahlkampf um die Scharleitung des anstehenden Leiterfreientag in das wilde Treiben und mit „make SOLA great again“ schafften es Kai und Julia bis ganz oben aufs Podest.

Alle Fotos vom SOLA 2016 in der Gallerie

Liveticker zum Leiterausflug:
Gündel hart / Schaffe und Gäldverdiene seid üch nüd? / Ciao Michi! / Guet Nacht am 4ri / ich nehme das Carpaccio, bitte! / 22.50 CHF – gate / Hodiodiodiodie / das isch miis Sitzchüssi!! / Gang weg vum Mikrofon, i muen fahre / Du Zurmühle Markus, chasch du no de Rucksack abzieh?

Der Kater vom Leiterstreich, der dann doch kein Kater war, blies die Anarchie und den Turi mit einem lauten Schariaufschrei vom Lagerplatz und am Samstagmorgen sonnten sich die Leiter in der gewohnten Hierarchie, bis die Gästebetreuung das Lagerleben aus den Fugen katapultierte. Ob ein Besuch dem Besuchten oder dem Besucher etwas bringt, bleibt dahingestellt (dieser Satz wiederholt sich jährlich in verschiedener Form und darf als Denkanstoss genutzt werden), die meisten Mätteli blieben dank den strahlenden Kindern jedoch ausgeröllelet. Selina, als Mutter des Blachenvolleyball, begrub es gleich selber wieder. Die mier-sind-wieder-unter-üüs-Disco am Abend wurde dann leider leider vom reklamierungswütigen Nachbarbauern lauthals beendet und so fielen die Kinder zu ungewohnt früher Stunde, erschöpft und emotional aufgewühlt, auf ihre bemalten und aufgeschnittenen Mätteli.
Der Duft von geschmolzenem Weichkäse, frisch gepresstem Orangensaft und hauchdünnem Aufschnitt läutete den hohen Sonntag ein und stimmte sogar Martina an diesem Abschiedstag für einen Moment glücklich. Nur der Progizist weinte trotz des Höhenflugs unseres Küchenteams um seinen Lehrling, den ältesten der jungen Hasis, der auf Grund einer Zweitlehre die Schar frühzeitig verlassen musste. Abschied und grosse Gefühle waren im Sommerlager 2016 allgemein prominent vertreten, was dem geladenen thurgauischen Dorfpfarrer nicht entgangen war und er deshalb mit Sure 9 an der Abendmesse die richtigen Worte fand: „Wenn aine dannigi Hosä häd und hagebuechig Strümpf…“

Mit dem 725. Geburtstag unserer Eidgenossenschaft wurde die zweite Lagerwoche eingeläutet. Diese ist, wie der erfahrene Leiter weiss, der Anfang vom schnellkommenden Ende. Nebst munterem Schlafsackfarben-Raten massen sich unsere kleinen Eidgenossen im Schwingen, Hornussen, Steinstossen, Chääszänne und Sackhüpfen, während das Programmteam den Läbigpriis Vulkan präsentierte. An dieser Stelle einen grossen Dank an unsere Sponsoren! Stilgerecht eröffneten die jungen Heirassaler in Uniform das grosse Geburtstagsfest, welches von Fahnenschwingen, Trachtengruppe, über „Kapälle vom Bodesee“ bis zum grossen Partyfeuer alles zu bieten hatte, was des Schweizers Herz begehrt. Ein prominenter Vitznauer rundete den Abend mit einer packenden Rede ab. Kernaussauge: Juli! Das Feuer schlug Nunu in die Flucht und Livia krönte mit dem Piñataschlag als zweites Geburtstagskind auch den ihren, den sie schon gebührend gefeiert hatte.

Jannis die Sportskanone blies am Dienstag zum Morgensport und jagte die gesamte Lagermeute über den Rugbyplatz, bis Schweissbäche dem Tschisel seinen frischplanierten Stohboden vermatschten. Jedem wurde klar: Lieber cool als Liverpool und die Kinder flüchteten in die schützenden Arme ihrer Gruppenleiter, welche für ihre Schützlinge einen individuellen Spassnachmittag vorbereitet hatten. Die Ältesten fröhnten währenddessen dem Einkaufstourismus.
Wieder kollektiviert zeigten Pirmin und Mücke den Jungleitern und jungen Altleitern im Improvisationstheater am Abend, wies gehen würde, retteten es vor der Kerze und Kädi führte eindrücklich vor, wieso sie Feuerwehrfrau und nicht Schauspielerin geworden ist.

Am Mittwoch galt es in der Badi, den Jannis-Schweiss aus den Ohren und den Ladenmuff aus den neuen Bro-Jacken zu putzen, während der Schari seine Kompetenzen scheinbar überschritt und damit seinen Bruder und den Onkel zur Weissglut trieb. Allen Weggisern raten wir übrigens in Zukunft von einem Besuch der Steckborner Badi ab. Weil wir die Duschen unsäglich mit Wasser verschmutzt haben, sind die Hiesigen dort nicht mehr so beliebt. Jänu, ein weiterer roter Punkt auf der schwarzen Karte.
Frisch gewaschen und frisiert paarten sich die Kinder im Abendglühn am Galaabend zu zuckersüssen temporären Liebespaaren und genossen ein königliches Mal im Schein der Kerzen und des Mondes, der sich trotz einer Intervention von Lukez noch immer in seiner Bahn zu halten wusste. Wenn nicht offen, dann eben im Herzen. Unsere Bemühungen fruchteten ein weiteres Mal reichlich wenig und die Paare trennten sich pünktlich auf den Nachtisch welcher von den zarten Tönen einer Mücke, die halt wortgetreu keine Nachtigall sein kann, begleitet wurde.

Man konnte und wollte es kaum glauben doch es war bereits Donnerstag. Aber wir wären nicht wir, wenn wir der anfliegenden Wehmut nicht Einhalt geboten hätten! Mit einer absoluten Neuerung in Sachen Programm zündeten wir mit dem ersten Jubla-Holifestival eine Bombe der Unterhaltung, welche den schlaftrunkenen Thurgauer Sommermorgen aus den Federn knallte. DJ Lukez glänzte und liess seine Marionetten im Schein der Ostsonne farbenfroh auftanzen. Erschöpft von seiner Heldentat und von Eiern aus der Küche torpediert, zog er sich schliesslich in seinen Bau zurück, was den Kindern Luft für eigene Tanz- und Musikinterpretationen liess, welche Sie zu später Stunde vor versammelter Schar im Tipi präsentierten.
Freitag der Letzte – vom warmen Ostschweizer Sommerregen begleitet und den arbeitsamen und fleissigen Neo-Baugigeln Nathan und Timo angeführt, ging unser Lagerkollektiv in die Aufräumphase über. Zuerst fiel die Dusche, dann die Toiletten und schliesslich jene Leiterzelte, die mittlerweile zur Farce verkommen waren. Reichlich wenig für den ersten Aufräumtag und es schien, als wollten wir unsere Stadt der Träume bis zum bitteren Ende in ihrer vollständigen Pracht erhalten. Gegen Abend mischten sich die grossen Tränen der Cumulonimbus zuerst mit denen des scheidenden und des bereits geschiedenen Scharis, bis dann jeder Leiter zu diesem feuchtfröhlichen Abschiedsfest unter Oskis Planen seinen Beitrag leistete. Die Disco verkam zur Nebensache und erst beim Kuschelrock beruhigten sich die erhitzen Gemüter in den Armen ihrer Liebgewonnen. Es sollte die Ruhe vor dem Sturm sein…
… denn früh blies der Küchenjäger am Samstagmorgen zum Frühstück unter freiem Himmel. Es wurde geschraubt, geputzt und gefötzelet, bis die Schar vor einer leeren, mit Grasnarben übersäten Wiese stand und mit einer Mischung aus Müdigkeit, Vorfreude und Wehmut zum Reisecar marschierte.
Der Schluss ist schnell erzählt: Nach der verspäteten Heimkehr, dem Tschieiei und zahlreichen Umarmungen und Tränen, trennten sich unsere Wege in alle erdenklichen Himmelsrichtungen. Erschöpft und mit rauchigem Nachgeschmack.

Nun, zum bitteren Ende bleibt mir noch die Ehre der letzten offiziellen Amtshandlung: Ein grosses Dankeschön geht an unsere Gönner von privater Seite, dem Gewerbe, den Gemeinden und der Kirche. An alle Eltern und Daheimgebliebenen für das Vertrauen und den Rückhalt und an alle Mitwirkenden für die investierte Zeit und den tollen Einsatz, den ihr alle geleistet habt. Das grösste Dankeschön jedoch geht an euch liebe Lagerkinder, ihr die mit eurem Einsatz und eurer Art, und mag sie noch so speziell sein, das Sommerlager mitgestaltet und für eure KameradInnen, zu denen auch wir Leiter zählen, zu einer unvergesslich schönen Zeit gemacht habt. Merci!
Erlebnisreich, intensiv und kurzweilig, doch nun sitzt man in dieser drückenden Stille und resümiert dem Lagerkoller wegen mit einem Hang zur Melancholie: Die Welt ist so perfide, dass sie sich selten oder nie, nach Bildern, die man sich von ihr macht, richtet.
Es schliesst in stiller Vorfreude auf 17.

ein einfacher Leiter